Die Aktienaufteilung aus Sicht eines Startup Anwalts
Die Auflösung von Rockbands sind in der Regel die ersten Gründerkonflikte, mit denen wir im Leben konfrontiert werden. Aber die Auflösung von Take That, den Beatles oder die Trennung der Oasis-Brüder sind nur die Spitze des Eisbergs: Auch viele Startup-Gründer kämpfen lange und hart um die Aufteilung und die Rollenverteilung innerhalb des Unternehmens. Der einzige Grund, warum nicht viel mehr dieser Streitigkeiten ans Licht kommen ist einfach: Viele Startups scheitern genau deshalb und haben keine Chance gross und bekannt zu werden. Als Startup-Anwälte begleiten wir Unternehmer nicht nur beim Wachstum, sondern erleben auch oft bei Streitigkeiten unter Gründern mit.
In diesem Blogbeitrag geben wir einen Einblick in unsere Erkenntnisse der letzten Jahre. Wir schauen uns die wirtschaftlichen und psychologischen Aspekte der Aktienaufteilung in Startups an und warum Mitgründer früh und eingehend über die Aufteilung diskutieren sollten, worüber gesprochen werden sollte und welche rechtlichen Vereinbarungen wichtig sind.
1 Aktiensplit – der wirtschaftliche Aspekt
Ein Startup ist eine wirtschaftliche Einheit – dessen Output durch Input generiert wird. Der Input besteht aus Kapital, Arbeit und “immateriellen Gütern” wie Technologie, Know-how, Netzwerk usw., die die Produktivität von Arbeit und Kapital verbessern.
Bei der Aufteilung des Aktienkapitals einigen sich die Gründer im Wesentlichen über den relativen Wert des Kapitals, der Arbeitsleistung und des geistigen Eigentums, die jeder von ihnen zum Unternehmen beiträgt. Die typischen Werttreiber sind:
- Arbeitsleistung: Die Zeit, die für das Startup aufgebracht wird, multipliziert mit dem Wert dieser Zeit. Was die Zeit eines jeden Gründers wert ist, hängt vor allem von der vorherigen Erfahrung im Aufbau von Startups, sowie branchenspezifischem Fachwissen ab.
- Kapital: Die tatsächlichen Geldmittel oder Geldäquivalente, die ein Gründer mitbringt.
- Geistiges Eigentum / IP: Vom Netzwerk bis hin zu “die Idee gehabt zu haben” kann hier alles hinzugefügt werden, was nicht in die Arbeitsleistungs- oder Kapitalkategorie fällt.
Dies könnte so aussehen:
Aktienverteilung eines Tech Startups:
Gründer | Leistung | Kapital | IP | Gesamt | Aktien in % |
---|---|---|---|---|---|
Alice (Junior Developer, arbeitet 100%, ‘hatte die Idee’ und hat den Code für den Protoyp geschrieben) | 350’000 | 0 | 100’000 | 450’000 | 45% |
Bob (hatte bereits drei Exits, arbeitet 10% als Berater des Startups, bringt das Seedkapital und das Netzwerk) | 50’000 | 50’000 | 50’000 | 150’000 | 15% |
Eve (Junior Developer, arbeitet 100%, hat mit dem Code für den ersten Prototyp geholfen) | 350’000 | 0 | 50’000 | 400’000 | 40% |
Während es leicht ist, Zahlen zu erfinden, ist es oft sehr schwierig, die Beiträge objektiv zu bewerten. Nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, sondern auch aus psychologischer Sicht.
2 Aktiensplit – der psychologische Aspekt
Es gibt viele emotionale und psychologische Aspekte, die mit im Spiel sind, wenn die Aktienteilung unter Gründern diskutiert wird. Die Trugschlüsse die wir in der Praxis am häufigsten beobachten (ohne wissenschaftliche Basis) sind die folgenden:
- Vermeidung/Verzögerung: Über Geld und Macht zu sprechen, ist schwer und unbequem, besonders dann, wenn der geschäftlichen schon eine persönliche Beziehung vorangeht. Wie bei allen Situationen, die hart und unangenehm sind, neigen wir dazu, sie zu vermeiden oder aufzuschieben, in der Hoffnung, dass die Probleme gar nicht erst auftreten oder sich von selbst lösen. Offen über die Aktienaufteilung zu sprechen, vermeidet jedoch in den allermeisten Fällen spätere Probleme. Zudem sind diese Gespräche eine gute Möglichkeit, um herauszufinden, wie Mitbegründer mit schwierigen Situationen umgehen.
- Selbstüberschätzung: Es ist oft nicht leicht, die eigenen Fähigkeiten und den eigenen Wert objektiv einzuschätzen. Generell tendieren die meisten Menschen zu einem übergrossem Selbstvertrauen: Sei es während des Studiums bei dem jeder WG Mitbewohner der Ansicht ist, dass er am meisten Geschirr abwäscht und putzt oder auch als Autofahrer im Strassenverkehr, wo eine US-Studie zeigte, dass unglaubliche 93% der amerikanischen Autofahrer sich selbst als überdurchschnittliche Fahrer einstufen würden. Wenn über den Aktiensplit gesprochen wird, sollte man sich bewusst sein, das man seinen eigenen Wert höchstwahrscheinlich überschätzt und den Beitrag der anderen eher unterschätzt. Eine unabhängige Drittmeinung (nicht die des besten Freundes oder Partners) kann dabei helfen, die eigene Verhandlungsposition nochmals objektiv zu überprüfen.
- Fairness: Grundsätzlich sollte sich jeder Gründer vor allem daran interessiert sein, dass die erhaltene Aufteilung eine angemessene Entschädigung für den Arbeits- / Kapitaleinsatz und das eingegangene Risiko ist. Die Forschung zeigt jedoch auch, dass unser Glück nicht nur davon abhängt, was wir in absoluten Zahlen haben, sondern auch davon, was wir im Vergleich zu anderen erhalten. Die Aufteilung sollte daher für jeden Mitbegründer nicht nur absolut gesehen ein guter Deal sein, sondern auch relativ gesehen gerecht für alle Beteiligten.
Das häufigste Problem ist, dass sich Gründer oft gar nicht oder erst sehr spät mit dem Aktiensplit befassen, weil die Diskussion unbequem und hart ist, oder weil sie einfach fälschlicherweise annehmen, dass bereits alles klar ist. Wir empfehlen das Thema nicht zu vermeiden und keine Annahmen über die Erwartungen der anderen Mitbegründer zu treffen. Eine eingehende Diskussion und die Akzeptanz dafür, dass diese sehr wahrscheinlich schwierig ist hat sich unserer Erfahrung nach bewährt: Entweder werden die Erfolgschancen des Teams nachhaltig und deutlich verbessert oder die Mitbegründer erkennen früh, dass sie nicht kompatibel sind und können sich so früh genug anderweitig orientieren.
3 Gängige Ansätze & Best Practices für den Aktiensplit
3.1 Warum die gleichmässige Aktienteilung kein gutes Zeichen ist
Beim Aktiensplit gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Ansätze:
- Die gleichmässige Aufteilung: Der 50/50-Handschlag ist schnell, einfach und laut dem Startup-Guru der Harvard Business School, Noah Wassermann, die Lösung, für die sich die meisten Mitbegründer entscheiden. Die Methode ist aber auch gleichzeitig jene, die am häufigsten in Teams verwendet wird, die nicht eingehend über die Aufteilung diskutieren. Die passende Studie dazu zeigt, dass Startups mit einer gleichmässigen Aufteilung dreimal so unzufrieden sind wie Startups die sich für eine ungleichmässige Aufteilung entschieden haben.
- Die Aufteilung aufgrund von wertbasierten Berechnungen: Es gibt viele verschiedene Berechnungsmethoden für den Aktiensplit, sie alle haben jedoch das gleiche Grundprinzip: Die Mitgründer einigen sich auf eine Bewertung des Beitrags jedes Gründers und teilen die Anteile auf der Grundlage dieser Bewertung zu. Auch wenn die Methoden im Detail sehr unterschiedlich sind, kommt es auf eine Sache im Wesentlichen an: Die Mitbegründer einigen sich auf der Grundlage einer eingehenden Diskussion auf eine Aufteilung.
Die wichtigste Frage ist nicht, welche Methode ein Startup wählt, sondern welche Methode auf der Grundlage einer eingehenden Diskussion mit dem Team gewählt wurde.
3.2 Was beim Aktiensplit entschieden werden muss
Neben der Methode, die angewendet werden soll und der eigentlichen Aktienaufteilung am Anfang, gibt es auch noch viele andere Themen, die diskutiert werden sollten. Tatsächlich kann die Diskussion darum wer wie viele Anteile erhält, durch andere Punkte ausgeweitet werden und damit zur Kompromissfindung beitragen. Wichtige Themen über die geredet werden sollte sind folgende:
- Rationale Gründe für die Aufteilung: Gründer sollten sich nicht nur auf die Anzahl von Aktien oder die % einigen, sondern auch darum, warum diese Zahlen sinnvoll sind. Steht eine Finanzierung bevor, fragen Investoren oft danach und erwarten eine solide Logik hinter der Aufteilung.
- Änderungen in der Zukunft: Die anfängliche Aufteilung basiert auf aktuellen Annahmen. Diese können sich ändern, so dass Mechanismen festgelegt werden müssen, die klären, wie das Team mit Änderungen in der Zukunft umgehen wird. An Tag eins sind alle begeistert vom neuen Startup, aber nur wenige werden die Kraft haben das Vorhaben nach zwei Jahren mit langen Arbeitstagen noch weiter durchzuziehen. Daher sollte sich das Gründerteam darauf einigen, was passiert, wenn ein Mitgründer das Team verlässt oder sein Arbeitsengagement reduzieren will.
- Titel, Rollen und Verantwortlichkeiten: Titel sind ebenfalls ein wichtiger Aspekt – daher lohnt es sich im Zug der Aktienaufteilung festzulegen wer VR-Präsident, CEO, CTO, CXO sein wird und wer welche Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse bekommt.
3.3 Wie man den Aktiensplit anspricht
Über die Anteilsaufteilung zwischen Gründern zu sprechen, kann so unangenehm sein wie die Vereinbarung eines Ehevertrags vor der Hochzeit: Genau wie in der Ehe ist die Kommunikation in der Beziehung zwischen den Mitgründern aber entscheidend und die Geld- und Machtstruktur ein wesentliches Element der Beziehung. Unsere Erfahrung zeigt, dass es für die meisten Teams am besten ist:
- Darüber zu sprechen: Wie bei jedem unangenehmen Gespräch gibt es keinen richtigen Zeitpunkt, daher ist «so früh wie möglich» die beste Option. Das gilt umso mehr, wenn die Gründer befreundet sind. Um das Gespräch aufzusetzen kann auch Druck von aussen vorgeschoben werden (z.B. “unser Anwalt meinte, wir müssen uns auf einen Gründervertrag einigen”)
- Offen zu sein und sich der Voreingenommenheit bewusst zu sein: Gründer sollten versuchen so ehrlich und objektiv wie möglich über den Wert der eigenen Arbeit zu sprechen und gleichzeitig die Arbeit der anderen zu würdigen. Wenn Gründer über den Wert des Beitrags der anderen sprechen, sollte darauf geachtet werden, dass keine abwertende Sprache verwendet wird, da die Diskussion schnell emotional werden kann.
- Zu akzeptieren, dass die Diskussionen scheitern können: Ein Startup gemeinsam zu gründen ist eine grosse Verpflichtung, daher sollten Gründer sicherstellen, dass sie den Grossteil ihrer nächsten Jahre auch wirklich mit den Mitgründern verbringen wollen. Die Diskussion über den Aktiensplit ist eine gute Möglichkeit, um herauszufinden, ob Mitgründer eine solche schwierige Diskussion mit emotionaler Reife und Geschäftssinn führen können. Je eher man herausfindet dass dies nicht der Fall sein sollte, desto besser.
- Das «Schlachtfeld zu vergrössern»: Ein guter Verhandlungsführer findet Kompromissbereiche und vermeidet ein Nullsummenspiel. Die Aufteilung des Aktienkapitals ist nur eine von vielen Fragen, die es zu diskutieren gilt. Daher sollten auch die anderen Aspekte (siehe 3.2), z.B. die Titel (CEO, Vorstandsvorsitzender etc.), Abfindungen, Namensgebung des Unternehmens oder Entscheidungsrechte mit einbezogen werden.
Die «Idee» nicht überbewerten: Die Startup Idee allein ist selten viel wert und es gibt wahrscheinlich noch viele andere, die die gleiche Idee hatten. Am Ende kommt es auf die Umsetzung an.
3.4 Gründervereinbarung und Aktionärsvertrag
Ein Anwalt oder auch schon eine gute Vorlage für die Vereinbarung zwischen Mitgründern kann eine gute Möglichkeit sein, die Diskussion zu beginnen und dabei sicherstellen, dass kein wichtiger Punkt vergessen wird. Es gibt zwei Arten von Vereinbarungen, die je nach Zeitpunkt verwendet werden:
- Gründervereinbarung: Vor der Gründung des Startups wird eine Gründervereinbarung unterzeichnet, um die wichtigsten Punkte zu definieren und um sicherzustellen, dass das gesamte geistige Eigentum, wie z. B. Software, das vor der Gründung der juristischen Person geschaffen wurde, in das Unternehmen übergeht.
- Aktionärsvertrag: Nach der Gründung ist der Aktionärsvertrag oder auch Gesellschaftervertrag das Schlüsseldokument für die Geld- und Machtstruktur des Unternehmens. Neben der Aufteilung des Eigenkapitals definiert der Gesellschaftervertrag vor allem die Mechanismen, die in bestimmten Fällen gelten: Was passiert, wenn ein Gesellschafter aus dem Unternehmen ausscheidet (Vorkaufsrecht), wenn ein Gesellschafter verkaufen möchte (Vorkaufsrecht und Tag-Along), wenn eine Mehrheit der Gesellschafter verkaufen möchte (Drag-Along) usw.
4 Zusammenfassung
Ob Rockstar oder Unternehmer, Streitigkeiten zwischen Mitgründern gehören zu den häufigsten Ursachen für das Scheitern von Startups. Die Aufteilung des Eigenkapitals hat das grösste Streitpotential, und obwohl es keinen goldenen Weg gibt, um einen Streit darüber zu vermeiden, ist ein ausführliches Gespräch über die Aufteilung mit den Mitgründern eine der besten Möglichkeiten, die Risiken für das Unternehmen zu verringern.