LEXR Legal BlogBlog / Startups

Start & Wachstum 2/4: Häufige Fehler vor der Unternehmensgründung vermeiden

By Christian Meisser

Last Updated 27/10/2023

Vorbereitung ist alles, wenn es darum geht rechtliche Fehler vor der Gründung zu vermeiden. Mit unserem Guide können sich Schweizer Unternehmer optimal vorbereiten, um für die rechtlichen Herausforderungen gewappnet zu sein. Anhand des einfachen LEXR Legal Frameworks (C-RICH), welches wir im letzten Blogpost vorgestellt haben, erklären wir was Mitgründer miteinander besprechen und vereinbaren sollten, wie die Idee geschützt werden kann und was man sonst noch vor der Unternehmensgründung beachten muss.

1. Unternehmens-/Gesellschaftsrecht (Corporate)

1.1 Gründervereinbarung

In jeder Beziehung ist vor allem die Kommunikation wichtig, und da Geld und Macht auf dem Spiel stehen, gilt das umso mehr für die Beziehung unter den Mitgründern.

Folgende Punkte sollten besprochen werden:

  • Besitzverhältnisse: Wer bekommt wie viele Anteile am Unternehmen? Es gibt viele Möglichkeiten, dieses Thema anzugehen, von der gleichmässigen Aufteilung bis hin zum ausgeklügelten “Slicing the Pie”-System, das die geleisteten Arbeitsstunden in der Anfangszeit des Unternehmens berücksichtigt.
  • Ressourcen: Wer stellt dem Unternehmen welche Ressourcen zur Verfügung (Zeit, Geld, Kapital, Beziehungen, Know-how)? Hier ist es wichtig spezifisch zu sein und zukünftige Erwartungen mit einzubeziehen, z.B. Gründer A wird in X Monaten zu 100% arbeiten.
  • Entscheidungen: Wer muss wichtigen Entscheidungen zustimmen, z. B. der Aufnahme eines neuen Mitgründers? Sind die Entscheidungen einstimmig, mit einfacher Mehrheit oder irgendetwas dazwischen? Wenn nicht anders vereinbart gilt rechtlich gesehen die Einstimmigkeit.
  • Rollen: Wer übernimmt welche Rolle (CEO, CTO, Berater, Vorstandsmitglied usw.)?

Die Themen, die diskutiert werden müssen, sind nicht einfach. Im Gegenteil, sie führen fast immer zu heftigen Debatten unter den Mitgründern. Wir empfehlen sie auch als Test zu nehmen, um herauszufinden, ob die Mitgründer in der Lage sind einen Konflikt als Team zu lösen oder nicht. Das Team geht entweder gestärkt aus den Diskussionen hervor oder mit der Erkenntnis, dass das Gründungsteam angepasst werden muss. Diese Erkenntnisse sind wichtig, bevor viel Zeit und Geld in das Startup investiert wird – daher sollte die Diskussion auf keinen Fall aus Angst vor Konflikten vermieden werden. Rechtlich muss die Mitgründervereinbarung nicht formalisiert werden. Eine Vorlage für die Mitgründervereinbarung als Ausgangspunkt zu nehmen, ist jedoch eine gute Möglichkeit, die Diskussionen zu starten und durch die wichtigsten Punkte zu führen.

1.2 Wann sollte das Unternehmen gegründet werden?

Die Gründung eines Unternehmens ist ein wichtiger Meilenstein und ein Schritt, der nicht leicht rückgängig gemacht werden kann (die Liquidation eines Unternehmens kostet Zeit und Geld). Bei der Entscheidung, wann die Firma gegründet werden sollte, sollten diese Faktoren berücksichtigt werden:

  • Validierung der Idee: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen noch auf ein grosses Hindernis stossen wird? Wie zuversichtlich sind die Gründer, dass sie mindestens die nächsten fünf Jahre damit verbringen werden, das Unternehmen aufzubauen?
  • Haftungsrisiken: Wenn das Unternehmen bereits eine Dienstleistung anbietet oder ein Produkt verkauft: Wie hoch ist das finanzielle Risiko in einem Worst-Case-Szenario? Solange die Dienstleistungen oder Waren von einer Einzelperson verkauf werden haftet diese persönlich für alle Schulden. Daher sollten gegründet werden, bevor die persönliche Risikotoleranz des zunächst offiziell Verantwortlichen überschritten wird.
  • Steuerliche Fragen: Der Aufbau wichtiger Vermögenswerte des Unternehmens (z. B. Programmiersoftware) vor der Gründung kann später zu steuerlichen Problemen führen. Wenn bereits Einnahmen generiert werden gibt es aus steuerlicher Sicht allenfalls weitere Vor-/Nachteile der Gründung.

Ausserdem gut zu wissen: Professionelle Investoren werden nur in eingetragene juristische Personen (nach der Gründung) investieren.

1.3 Welche Unternehmensform ist für das Startup die Richtige?

Das Schweizer Recht unterscheidet zwischen rechtsfähigen Gesellschaftsformen, den sogenannten juristischen Personen, und nicht rechtsfähigen Gesellschaftsformen. Die beiden bekanntesten rechtsfähigen Gesellschaftsformen sind die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese Gesellschaften treten im Rechtsverkehr selbständig als Träger von Rechten und Pflichten auf. Die Aktiengesellschaft kann zum Beispiel ein Auto im eigenen Namen kaufen und haftet auch allein für den Kaufpreis. Ist die Gesellschaft nicht in der Lage, die Schulden zu begleichen, hat der Verkäufer des Autos keine Möglichkeit (ausser Aktien sind nur teilliberiert), den Preis von den Gesellschaftern einzufordern (im Gegensatz z.B. zu Einzelunternehmen, bei denen der Gesellschafter voll für die Schulden des Unternehmens haftet).

Wir haben die häufigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden häufigsten Rechtsformen, der AG und der GmbH in dieser Tabelle zusammengefasst:

AGGmbH
Anzahl GründerMindestens eine Person (natürlich oder juristisch).Mindestens eine Person (natürlich oder juristisch).
KapitalanforderungenMin. CHF 100’000 (min. CHF 50’000 müssen einbezahlt werden.Min. CHF 20’000.
KapitalerhöhungOrdentliche, genehmigte und bedingte Kapitalerhöhung.Ordentliche Kapitalerhöhung.
Nominalwert der AktienMin. CHF 0.01.Min. CHF 100.
Veröffentlichung der Aktionäre Aktionäre und ihr Aktienbesitz sind nicht aus dem Handelsregistereintrag ersichtlich. Verwaltungsräte und Zeichnungsberechtigte sind ersichtlich.Gesellschafter sind mit ihrem Stammanteilsbesitz aus dem Handelsregistereintrag ersichtlich. Geschäftsführer und Zeichnungsberechtigte ebenfalls.
VinkulierungDie Statuten dürfen die Übertragbarkeit der Aktien nur aus triftigen Gründen des Gesellschaftszwecks oder der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Unternehmens beschränken.Die Übertragung von Stammanteilen bedarf der Zustimmung der GV, welche die Zustimmung ohne Angabe von Gründen verweigern kann. Die Statuten können eine andere Regelung vorsehen.
AktienübertragungHängt davon ab, ob Urkunden ausgegeben wurden oder nicht: Wenn Urkunden ausgestellt sind, Übergabe der Urkunde und Indossament darauf. Wenn keine Urkunden ausgestellt sind, schriftliche Abtretungserklärung. Aktienübertragung muss nur im Aktienregister der Gesellschaft eingetragen werden (nicht im Handelsregister). Zustimmung des Verwaltungsrats nur erforderlich, wenn die Übertragbarkeit durch die Statuten beschränkt ist.Die Abtretung von Stammanteilen muss schriftlich erfolgen. Jede Stammanteilübertragung muss im Register des Unternehmens und im Handelsregister eingetragen werden (nur deklaratorische Wirkung). Sofern in den Statuten nicht darauf verzichtet wird, muss die Stammanteilübertragung von der Generalversammlung genehmigt werden.
Ausschluss von AnteilseignernEin Aktionär kann nur im Falle der Nichtzahlung der Liberierungsschuld (pro Aktie) ausgeschlossen werden.Ein Gesellschafter kann bei Vorliegen triftiger Gründe ausgeschlossen werden. Die Statuten können weitere Ausschlussgründe vorsehen. Der Kaufpreis muss dem wahren Wert der Stammanteile entsprechen.
HaftungNur das Gesellschaftsvermögen haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft; die Gesellschafter / Aktionäre haften grundsätzlich nicht.
Geschäftsführer, leitende Angestellte und andere Organe (inkl. faktischer Organe) können für Pflichtverletzungen (z.B. Sorgfalts- und Treuepflicht) persönlich haften.
Nur das Gesellschaftsvermögen haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft; die Gesellschafter / Aktionäre haften grundsätzlich nicht.
Geschäftsführer, leitende Angestellte und andere Organe (inkl. faktischer Organe) können für Pflichtverletzungen (z.B. Sorgfalts- und Treuepflicht) persönlich haften.
Weitere PflichtenDie Statuten können nicht zur Leistung von Nachschüssen verpflichten.Die Statuten können zur Leistung von Nachschüssen verpflichten, Treuepflichten oder ein Konkurrenzverbot und weitere Nebenpflichten vorsehen, die dem Zweck der Gesellschaft, der Wahrung ihrer Unabhängigkeit oder der Sicherung der Zusammensetzung der Gesellschafter dienen.

Zusammenfassend schützen beide Unternehmensformen die Aktionäre vor der Haftung. Jedoch werden professionelle Investoren aufgrund der besseren Übertragbarkeit und Anonymität der Aktionäre häufig nur in eine AG investieren.

Ein Wechsel von der Unternehmensform GmbH zur AG ist auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich, erfordert aber eine Investition von Zeit und Geld (typischerweise ab CHF 5’000 in einfachen Fällen mit allen Rechts-, Notar-, Revisions- und Registergebühren).

2. Geistiges Eigentum (IP)

2.1 Wie kann die Idee geschützt werden?

Viele Gründer haben Angst, dass jemand ihre Idee klauen könnte. Das Risiko ist zwar real, aber das grössere Problem ist meist die fehlende Validierung der eigenen Idee durch Gespräche mit genügend anderen Leuten. In jedem Fall ist die Ausführung der Idee meist viel wichtiger als die Idee selbst.

Um sich beim Teilen ihrer Idee wohler zu fühlen, können Unternehmer Geheimhaltungsver­einbarungen (NDAs) mit potenziellen Partnern oder anderen Personen mit denen sie ihre Idee teilen, unterzeichnen.

Wenn das Unternehmen auf einer patentierbaren Erfindung basiert (z. B. Chipdesign oder Pharmazeutika, nicht auf einer Geschäftsidee oder Software), hat der frühzeitige Schutz des geistigen Eigentums oberste Priorität. Am besten ist es mit einem Experten wie einem Patentanwalt zu sprechen, um zu verstehen, welche Möglichkeiten es gibt um die Erfindung zu schützen. 

2.2 Stelle sicher, dass das Geistige Eigentum dem Unternehmen gehört

Geistiges Eigentum, das vor der Gründung geschaffen wurde, gehört nicht dem Unternehmen, sondern der Person, die es geschaffen hat. Daher müssen Unternehmen sicherstellen, dass jede Person, die vor der Gründung beteiligt war, sich verpflichtet, das geistige Eigentum an das Unternehmen zu übertragen. Im schlimmsten Fall verlässt die Person, die das geistige Eigentum (z.B. die Software) vor der Gründung geschaffen hat, das Unternehmen im Streit und ist dann nicht bereit, das Geistige Eigentum an die Gesellschaft zu übertragen. Die Zugehörigkeit des geistigen Eigentums zum Unternehmen ist einer der wichtigsten Gründe, einen Mitgründervertrag zu unterschreiben.

3. Regulatorischer Check (Regulatory)

Der Staat reguliert fast alle Aspekte des Unternehmertums. Vor dem Start sollte man daher diese zwei wichtigen Dinge verstehen:  

  • Gesetzliche Schranken: Welche Vorschriften und Verbote gelten im Geschäftsfeld des Unternehmens? Ist es erlaubt, das Geschäft wie beabsichtigt zu betreiben, oder gibt es grössere regulatorische Hindernisse für den Markteintritt (z. B. Verkauf von medizinischen Produkten im Internet, Verwendung von persönlichen Daten für das Marketing, Bereitstellung von Finanzdienstleistungen)?
  • Compliance-Kosten: Wenn es einen legalen Weg gibt, das Geschäft zu betreiben, wie hoch sind die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften? Dazu gehören Lizenzierungs- oder Genehmigungsverfahren sowie laufende Compliance-Kosten. 

Wir empfehlen mit Branchenexperten zu sprechen, um das regulatorische Umfeld, in dem sich das Unternehmen bewegen wird, vollständig zu verstehen. Ausserdem ist im regulatorischen wichtig zu wissen, dass es selten ein klares “Richtig” oder “Falsch” gibt, wenn es um die Einhaltung von Vorschriften geht – Gesetze müssen interpretiert werden.

Vor allem bei neuen Technologien und Geschäftsmodellen ist oft nicht klar, ob und in welchem Umfang bestimmte Vorschriften gelten. Vom Unternehmen erfordert dies, dass eine bewusste, strategische Entscheidung, wie von Anfang an mit Vorschriften umgegangen werden soll, getroffen werden sollte: Von “10’000% Compliance” (Koch Industries) bis hin zu “move fast and break things” (Facebook) gibt es sehr erfolgreiche Unternehmen im gesamten Spektrum der Compliance-Strategien.

4. Personal (HR)

Am Anfang werden sich Personalfragen in Grenzen halten. Die am häufigsten gestellte Frage die wir von Gründern bekommen die noch in einem Arbeitsverhältnis stehen ist: Darf man an seinem eigenen Unternehmen arbeiten, während man noch bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt ist? In der Regel ist es am besten, hierfür die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen.

Wenn mit dem neuen Unternehmen bereits Umsatz generiert wird, ist es wichtig, diesen bei den Steuer- und Sozialversicherungsbehörden zu melden.

5. Verträge (Contracts)

Allenfalls wollen die Unternehmer schon vor der Gründung Verträge mit Lieferanten, Kunden und Partnern abschliessen. Die Verträge für das Unternehmen sollten mit dem Vermerk “in Gründung” unterschrieben werden. Die Gesellschaft kann dann nach der Gründung einfach die Rechte und Pflichten aus den Verträgen übernehmen und die persönliche Haftung des Gründers ist damit aufgehoben.

6. Fazit & Ausblick

Am wichtigsten ist, dass unter Gründern frühzeitig Klarheit über die Geld- und Machtverhältnisse geschaffen und sichergestellt wird, dass das vor der Gründung geschaffene geistige Eigentum auch tatsächlich dem Unternehmen zugeordnet wird.

Im nächsten Beitrag gehen wir auf alle Rechtsthemen ein, die zum Start des Unternehmens wichtig sind, inklusive umfassender Startup-Checkliste zum Download.

Verwandt

Let’s Go!

Jetzt unverbindliches und kostenloses Erstgespräch buchen und erfahren, wie wir am besten bei der Erreichung eurer Unternehmensziele unterstützen können.

Oder alternativ eine E-mail an uns schreiben unter [email protected].

Kostenloses Gespräch buchen